Mein Ansatz

Was bedeutet bindungs- und beziehungsorientierte Pädagogik

Bindungs- und beziehungsorientierte Pädagogik bedeutet, eine neue Perspektive auf Kinder und das Miteinander mit ihnen einzunehmen. In unserer Gesellschaft werden Kinder nach wie vor mit einem starken Fokus auf ihren vermeintlichen Defiziten betrachtet. Wenn Kinder Verhaltensweisen zeigen, die von Erwachsenen als störend empfunden werden, wird Eltern gerne nahe gelegt, diese Situationen verhaltensorientiert „aufzulösen“.

Verhaltensorientiert meint, gewünschte Veränderungen durch Instrumente wie Belohnungen, Lob oder Strafen/Konsequenzen herbeiführen zu wollen. Bindungs- und beziehungsorientierte Familienbegleitung verfolgt einen anderen Ansatz.

Das Menschenbild

Um uns diesem Ansatz zu nähern, schauen wir uns zunächst einmal das Menschenbild dieser Pädagogik genauer an.
Ein Verhalten ist aus der Perspektive der Kinder IMMER sinnvoll. Wir dürfen es als wertvolles Signal verstehen, mit welchem das Kind uns etwas über sich und seine innere Welt erzählt. Deshalb wollen wir Verhalten nicht sofort ändern, sondern zuerst einmal verstehen. Übrigens gilt diese Grundannahme und damit das folgende Erklärungsmodell auch für uns Erwachsene.

Das Eisbergmodell nach Katia Saalfrank

Katia Saalfrank hat das Visualisierungsmodell des Eisbergs für die bindungs- und beziehungsorientierte Pädagogik weiterentwickelt. Dieses Werkzeug hilft uns, Verhaltensweisen auf den Grund zu gehen. Menschliches Verhalten wird von Gefühlen (Schmerz, Angst, Trauer, Wut, Freude, Scham, Ekel) motiviert.

Gefühle sind wiederum Hinweisgeber auf unsere emotionalen Grundbedürfnisse (Sicherheit, Autonomie und Verbindung). In diese elementaren Grundbedürfnisse lassen sich alle anderen emotionalen Bedürfnisse einsortieren. Wir sehen also das Verhalten, fragen uns, welches Gefühl unter diesem Verhalten liegt und welches Grundbedürfnis aus dem Gleichgewicht geraten sein könnte. Mit dieser Reaktionskette können wir Verhalten interpretieren, um es besser zu verstehen.

Ein Beispiel: Ein Kind haut ein anderes, weil es nicht mitspielen darf. Auf der Eisbergspitze, der Verhaltensebene setzen wir Hauen ein. Auf der zweiten, der Gefühlsebene, könnte das Kind Schmerz und Trauer über eine gefühlte Ablehnung empfinden. Dieser Schmerz ist entstanden, weil das Bedürfnis nach Verbindung nicht beantwortet wurde, womit wir auf der dritten Ebene wären. Das Hauen ist nach wie vor kein adäquates Mittel der Konfliktbewältigung, die darunter liegenden Gefühle und Emotionalen Bedürfnisse sind jedoch absolut nachvollziehbar.

Als Konsequenz aus den interpretierten Zusammenhängen dürfen wir uns diesen mit Trost oder einem anderen Verbindungsangebot zuwenden. Wenn wir es dabei belassen, das Kind für sein Verhalten zu schimpfen oder mit Auszeiten und Isolierung zu bestrafen, können wir das Verhalten maximal für den Moment abstellen und selbst das ist nicht gesichert. Mit der emotionalen Not des Kindes kommen wir so nicht in Kontakt.

Das Erlernen konstruktiver Strategien im Umgang mit Konflikten ist ein Prozess, der sich bis in die späte Pubertät zieht und in welchem Kinder Begleitung brauchen. Damit ist Hauen insofern entwicklungsgerecht, als das vor allem junge Kinder diese Kompetenzen erst perspektivisch aufbauen. Sobald wir sie strafen, drücken wir unsere unangemessene Erwartung aus, dass Konfliktfähigkeit bereits voll entwickelt vorhanden sein muss.

Wenn wir wollen, dass aus Kindern emotional gesunde und empathische Erwachsene werden, ist es unerlässlich, dass sie selbst Empathie, liebevolle Zuwendung und Begleitung auch und gerade in schwierigen Situationen erfahren.

Pädagogische Grundannahmen

Kinder sind Teamworker

In meiner Arbeit gehe ich davon aus, dass Kinder sich ihren Eltern und Bezugspersonen gegenüber grundsätzlich kooperativ verhalten. Kinder kommen mit einer hohen Bindungsfähigkeit auf die Welt. Aufgrund ihrer Abhängigkeit können sie gar nicht anders, als mit ihren Bindungspersonen zusammenzuwirken.

Oft stellen sie ihre eigenen Bedürfnisse zurück, um anderen zu gefallen. Sie verhalten sich loyal und übernehmen unvoreingenommen die Ansichten ihrer Eltern. Deswegen sprechen wir heute von der Autonomiephase und nicht mehr von der Trotzphase. Denn Trotzphase beinhaltet die Perspektive, dass Kinder grundsätzlich in den Widerstand gehen. Wenn Kinder aus der Kooperation aussteigen, kann das zwei Gründe haben.

Sie haben sich vielleicht schon zu lange nach äußeren Erwartungen gerichtet und sind überfordert/erschöpft. Möglicherweise haben sie auch eine Kränkung erfahren und das Vertrauen in die Beziehung wurde beschädigt oder ist temporär oder dauerhaft verloren gegangen. Manchmal überschneiden sich beide Gründe. Eine Verweigerung gibt uns immer Auskunft über den inneren Zustand des Kindes und die Beziehungsdynamik.

Kinder sind gleichberechtigt

Ich betrachte Kinder gegenüber Erwachsenen als gleichwertige Menschen. Gleichwertig bedeutet nicht gleichberechtigt, denn Kinder können nicht in gleichem Maße wie Erwachsene Verantwortung übernehmen. Das würde sie überfordern. Jedoch haben Kinder die gleiche Würde und Integrität wie Erwachsene. Sie sind es Wert, ernst genommen und angehört zu werden. Hilfreich sind dabei die 7 Werte für eine gelingende Beziehung:

  1. Aus Bewertung wird Verantwortung
  2. Aus Erziehung wird Beziehung
  3. Aus Monolog wird Dialog
  4. Aus Strafe wird Achtsamkeit
  5. Aus Abwertung wird Wertschätzung
  6. Aus Kontrolle wird Vertrauen
  7. Aus Gegeneinander wird Miteinander

An wen richtet sich bindungs- und beziehungsorientierte Familienbegleitung?

Bindungs- und beziehungsorientierte Familienbegleitung richtet sich an Familien, die ein gleichwertiges, wertschätzendes, warmes und liebevolles Miteinander etablieren oder vertiefen wollen. Gemeinsam suchen wir nach individuellen Wegen außerhalb von kraftraubenden Machtkämpfen und destruktiven Spiralen der Missverständnisse. Im Mittelpunkt steht die konstruktive Beziehung, Verständnis füreinander und die Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Familienmitglieder.